Der Lehrerjob ist einer der besten, die ich mir für mich vorstellen kann. Doch er zwingt uns dazu, in der Ferienzeit zu reisen. Also genau dann, wenn alle anderen auch unterwegs sind. Doch es wäre deutlich schlimmer auf das Reisen zu verzichten. Und so starteten wir am 10. Juli diesen Jahres zu unserer Sommertour.
Wir wollten nach Rumänien und auf der Hinfahrt nicht die elend langweilige Strecke durch die ungarische Puszta nehmen, sondern durch den Süden Polens fahren. Aber ich greife vor und deshalb zurück nach Leipzig.
Dort stoppten wir zum ersten Mal auf dieser Reise, um Freunde zu besuchen und einen Reisevortrag im nahen Ort Kitzscher zu halten. Am Werbeliner See im Leipziger Norden verbrachten wir eine Nacht und stellten am nächsten Morgen fest, dass wir deutlich zu viel Kühlwasser aus dem Kühler verlieren. Uns wurde etwas mulmig zumute und so fuhren wir zu unserer Werkstatt des Vertrauens „HW-Automobile“ in Leipzig.
Von einer längeren Weiterfahrt wurde uns dort abgeraten, wenn wir nicht vorher etwas an dem Kühler reparieren lassen. Man schickte uns zum Kühlerprofi Haak in Leipzig, der uns schließlich weiterhalf. Ganz spontan und unkompliziert konnten wir die Olga am nächsten Tag dort abstellen und bereits wenige Stunden später waren die undichten Stellen fürs Erste geflickt.
Natürlich ist uns klar, dass der Kühler sehr bald zu einer grundlegenden Überholung gebracht werden muss aber immerhin konnte mit dieser Notlösung unsere Reise fortgesetzt werden. 4000 Kilometer später und wieder zurück in Leipzig, hält der Kühler noch immer dicht.
Von Leipzig ging es weiter Richtung Dresden. In Nossen verbrachten wir eine ruhige Nacht an der Mulde auf einem Wanderparkplatz. Von dort ging es weiter nach Görlitz, wo wir die Grenze überfuhren und der Regen begleitete uns während dieser Tage.
Was gibt es über unsere diesjährige Zeit in Polen zu schreiben? Uns war klar, dass dieser Teil der Reise mit vielen Fahrkilometern verbunden sein würde. Trotzdem haben wir immer wieder schöne Übernachtungsplätze gefunden, obwohl es in der Hochsaison schon sehr verzwickt ist, einen möglichst ruhigen Ürt zu finden.
Wir standen an großen und kleinen Seen, einmal sogar direkt an der Oder neben einer Schiffsschleuse und wir haben in Polen Piroggen gegessen. Lecker! Die Großstädte Katowice und Krakau haben wir umfahren aber wir haben uns die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau angesehen.
Auf der Homepage der Gedenkstätte liest man zwar, dass ein Besuch nur mit Anmeldung und Onlineticket möglich sei. Gerade in der Hochsaison sei alles Monate vorher ausgebucht, doch diese Information ist nicht ganz korrekt. Möchte man mit einer Führung die Gedenkstätte und das Museum besuchen, dann stimmen die Hinweise. Möchte man aber nur, wie wir, die Gedenkstätte Birkenau besichtigen, ist dies ohne Anmeldung und kostenfrei möglich.
Im September 2019 werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt und es steht zu befürchten, dass die AfD noch besser abschneiden wird, als bei den vorangegangenen Wahlen. Und dies, obwohl in dieser Partei Menschen als Mitglieder geduldet werden, die eindeutig rechtsextremes Gedankengut und Positionen vertreten. Für uns ist diese Partei deshalb unwählbar und auch schon lange keine Protestpartei mehr. Die AfD ist eine gefährliche rechtsextreme Partei in unseren Augen.
Umso wichtiger erscheint die politische Bildung. Dazu gehören auch Besuche in ehemaligen Kzs.
Und natürlich denkt man vor Ort auch, dass diese Gedenkstätten eine Art von Touristenattraktion sind, wie man es von alten Burgen, Freizeitparks und Badeseen kennt. Man kommt schon ins Grübeln, wenn einige nur mal eben schnell für ein Selfie vor den Baracken in Auschwitz vorbeidüsen. Aber dennoch begreift man vor Ort wohl am allerbesten die unfassbaren Dimensionen der Grausamkeiten des Nazireiches. Also lohnt ein demütiger Besuch trotz alledem.
Und nachdem man die düsteren Gedanken dann gedacht hat, kommt auch wieder die Sonne raus. Für uns führte die Straße weiter einmal durch die Slowakei. Ein Land, das wir bisher immer nur durch die Autoscheibe gesehen und mit Slowenien verwechselt haben. Und auch auf dieser Reise ging es erstmal nur weiter nach Ungarn.
In Ungarn fanden wir einen Nachtplatz an einem Angelsee, dessen Zufahrt ganz frisch von einer elektrischen Schranke versperrt wurde. Also parkten wir einfach an der Seite vor der Schranke und gingen während der partiellen Mondfinsternis am 16. Juli schwimmen.
Am Abend war noch ein Mann in einem Pickup vorbeigekommen, der sich als Janosch vorstellte und uns fragte, was wir über die Schranke wüssten. Das fragte er uns, die einzigen Ausländer dort, während im Viertelstundentakt verwirrte ungarische Angler vor der Barriere kapitulierten. Aber einige wenige hatten auch einen Schlüssel. Janosch ließ sich nicht aufhalten, denn er war immerhin der örtliche Jäger und rammte kurzerhand mit der Front seines Wagens die neben der Schranke aufegschüttete Barriere aus Erde beiseite.
Tja und dann war es wieder ein bisschen wie die Rückkehr in ein zweites Zuhause. Bei Oradea überquerten wir die Grenze. Wie immer mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend, obwohl uns an der Grenzkontrolle gar nichts passieren konnte. Wir hatten alle Papiere und auch sonst nichts Auffälliges an Bord. Der Grenzer schaute trotzdem etwas mürrisch, als ich auf seine Frage, was wir in Rumänien wollten, antwortete, dass wir Touristen sind.
Irgendwie kann ich ihn verstehen, denn Touristen mögen wir auch nicht. Wir sehen uns selbst auch viel lieber als Reisende, die das Unterwegssein genießen, die Andersartigkeit aufsaugen und den Duft der Freiheit genießen. Und das geht in den riesigen Touristenhöllen, wo es nach Sonnencreme und Mückenspray, aber vor allem nach Spießigkeit müffelt, wohl eher weniger.
Was an Rumänien so toll sein soll? Da fällt uns ganz viel ein. Zum Beispiel, dass man an manchen Stellen ganz selbstverständlich erst seine Dreckwäsche und dann sich selbst in einem glasklaren Wildbach reinigen kann. Nebenher wachsen im angrenzenden Wald Heidelbeeren und Pfifferlinge, die man bedenkenlos essen kann. Nachts streifen Meister Petz und Isegrim zwischen den Bäumen umher und tagsüber freie Pferde, Kühe mit Glocken und ganze Schafherden mit ihren riesigen Hütehunden.
Bei Sebes übernachteten wir unterhalb der Roten Felsen „Rapa Rosi“. Das Wasser und die Zeit haben diese besondere Steinformation entstehen lassen. In dieser Nacht haben wir Nachbarn aus Tschechien und Deutschland in ihren Kleinbussen bzw. Wohnwagen. Man merkt, dass die Dichte der Touristen geringer wird.
Von Sebes aus startet die Transalpina. Eine der beiden bekannten rumänischen Passstraßen, die von Nord nach Süd über die Karpaten führen. Den Transfagarasan sind wir bereits zweimal gefahren und die Transalpina einmal aber nicht komplett. Die Nationalstraße 67c führt auf 148 Kilometern von Sebes im Norden nach Novaci im Süden. Dabei überwindet sie die Karpaten an ihrer höchsten Stelle auf 2132 Höhenmetern.
Zwei Nächte verbrachten wir aber zunächst an dem Stausee Oasa. Ganz in der Nähe befindet sich ein Kloster, von dem ab und an Trommelrythmen zu uns drangen, bevor dort die Glocken geläutet wurden. Ein Schäfer und seine großen Hütehunde flößten uns Respekt ein und das Seewasser hatte eine angenehm kühle Badetemperatur.
Nach zwei Nächten nahmen wir die erste Hürde, als die Straße bei 1678 Metern den Tartarau-Pass überquerte. Eine Art Generalprobe, bei der besonders mir als Fahrer schon deutlich flau im Magen wurde, bei dem Gedanken, dass es später noch steiler und höher werden sollte. Wir überlegten kurz, ob wir die Transalpina ein zweites Mal vorzeitig bei der kleinen Häusergruppe Obarsia verlassen sollten.
Doch eine kleine Wanderung in den Bergen und ein erfrischendes Bad in einem Wildbach brachten die mutigen Lebensgeister zurück. Gemeinsam mit allerhand anderen Verrückten erklommen wir im zweiten und teilweise auch im ersten Gang ganz langsam die Berge. Als wir einmal kurz stoppten, um dem Wagen und uns eine Pause zu gönnen, sprang die Olga hinterher nur sehr schwer wieder an.
Kurz vor dem Gipfel fanden wir ein passendes Nachtlager und verbrachten zwei Nächte bei Sternenhimmel unter der deutlich sichtbaren Milchstraße mit Blick auf das Gebirge. Mit Olga war ausgemacht, dass wir uns für den Pamir-Highway in Tadschikistan ein anderes Gefährt suchen, sollte sie diesen lächerlichen Pass in Rumänien schon nicht bestehen. Und Olga ließ es sich nicht nehmen, uns ihre Höhentauglichkeit zu beweisen. Die alte rumänische Bergziege!
Der Blick von dort oben ist gigantisch. Die Stille nachts ist einzigartig. Und nach zwei Tagen fuhren wir schweren Herzens weiter, meisterten nun endgültig die 2132 Höhenmeter und landeten kurz darauf in Ranca.
Ein Touristenort untzerhalb der Skihänge und Wanderwege. Wir kauften ein, nutzen den dort vorhandenen Internetempfang und parkten dazu auf einem Schotterplatz am Straßenrand. Eine Stunde später fuhren wir weiter und hörten mit einem Mal ein Geräusch von unter dem Auto. Ich dachte sofort an einen Platten aber die Handzeichen der überholenden Autofahrer passten nicht zu einem luftleeren Reifen. Eher zu dem faustgroßen Stein, den wir dann links hinten zwischen den Zwillingsreifen verkeilt vorfanden.
Von dort ließ dieser Stein sich dann auch nur dadurch entfernen, dass wir das äußere Rad abmontierten, den Stein frei ließen und das Rad daraufhin wieder festschraubten. Die beiden Reifen haben von dieser Aktion zum Glück nur rein oberflächliche Spuren mitgenommen.
Am Sendemast einer Radioanstalt verbrachten wir dann auf der Südseite der Karpaten noch zwei weitere Nächte. Wenn man nah genug an die geöffneten Fenster der Radiostation heranging, konnte man sogar deren rumänisches Programm mitverfolgen.
Auf dieser Reise haben wir wieder viel gelernt und darunter auch die Fähigkeit im zweiten Gang ganz langsam eine steile Passstraße bergab zu fahren über mehrere Kilometer und in vielen Serpentinen ohne dabei die Bremsen zu sehr zu belasten. Alles Dinge, die man nicht bräuchte, wenn man sie nicht täte und die man nur lernt, wenn man sie tut.
Über Ramnicu Valcea und Curtea de Arges ging es dann nach Campulung. Zum sechsten Mal waren wir nun bereits in dieser mittelgroßen Stadt, in der es ein Tierheim für Straßenhunde gibt, dass wir gern unterstützen. In diesem Jahr waren wir zeitgleich mit einer ganzen Truppe deutscher Helfer vor Ort, die bei unserer Ankunft gerade dabei waren, mehrere dutzend Hundehütten aus Holz zu bauen. Im Moment wird dort alles für den Umzug auf ein neues Tierheimgelände vorbereitet. Und auch wir haben in den folgenden Tagen dort unseren kleinen Anteil dafür getan, dass später einmal 800 Hunde in ein neu errichtetes Tierheim einziehen dürfen. Der deutsche Verein „Freundeskreis der Straßenhunde in Campulung“ hat dieses neue Gelände komplett aus Spendengeldern finanziert.
Unser Glück war in diesem Jahr, dass die Streuner zwar noch nicht eingezogen sind, aber der Zaun schon komplett fertig war. Also parkten wir die Olga auf dem Gelände und ließen unsere vier Hunde auf einem seperaten Teil der Anlage herumlaufen und herumliegen, während wir am arbeiten waren.
Christin hat mit der Vorsitzenden des deutschen Vereins einige Wege in die Stadt erledigt, ich habe Hundeboxen zusammengeschraubt und viele Kartons mit Spenden sortiert. Zwischendurch hatte ich die Gelegenheit in einem nahe gelegenen Roma-Dorf einige Kleiderspenden zu übergeben.
Natürlich waren wir auch wieder bei unseren rumänischen Bekannten zum leckeren und ausgiebigen Abendessen eingeladen und natürlich haben wir auch die vielen Hunde im alten Tierheim besucht. Und auch für die Hunde hatten wir einige Spenden aus Deutschland an Bord.
Rumänien ist zum Glück nicht wie Deutschland und vieles ist ganz anders als bei uns. Man muss sich umstellen und das dauert auch mal eine Weile. Dann aber sieht man, dass in Rumänien trotzdem auch glückliche Menschen leben. Das die Welt sich auch hier weiterdreht und dass nichts, was uns in Deutschland so alternativlos erscheint, tatsächlich auch ohne Alternative ist. Es geht auch anders aber es geht.
Wenn das motorgetriebene Lochbohrgerät für die Pfähle eines Zauns keine Löcher bohrt, dann kauft man kein noch größeres, sondern kehrt zurück zur Handarbeit. Das ist sicher die körperlich schwerere Arbeit aber damit sind am Ende auch alle Löcher im Boden. Es geht also, wenn auch anders als in Deutschland.
Sieben Tage in Campulung sind immer anstregend aber auch sehr erfahrungsreich. In diesem Jahr haben wir hunderte Quadratmeter Betonboden des neuen Tierheims mit einem Besen und einem Staubsauger bereinigt, damit später eine imprägnierende Lösung auf den Boden aufgetragen werden konnte. Stundenlanges staubsaugen in der Sommerhitze Rumäniens. Was tut man nicht alles für die lieben Vierbeiner...
Über Bran, wo das Draculaschloss steht und man lecker Langos essen kann, man dann aber schnellstens wieder vor den Touristenmassen abhauen sollte, ging es dann auf unserer Rückfahrt weiter. Als ich die Olga kurz parkte, um Langos zu kaufen, wollte der Parkplatzwächter kein Geld von uns, da wir ja nur so kurz dort standen und außerdem sei das alte Auto so cool. Er bekam sein Geld trotzdem oder gerade deswegen.
In Sebes wollten wir wieder an den Roten Felsen schlafen aber nach einem Regenguss war der Weg so aufgeweicht, dass unsere Olga rückwärts wieder den Hang hinabrutschte. Also schliefen wir auf einem Feldweg, während die Allradfahrzeuge es schafften, den Matschweg zu befahren.
In Ungarn übernachteten wir am geographischen Mittelpunkt des Landes neben einer Pflaumen- und Haselnussplantage. Nachts lediglich kurz gestört von vier Tschechen, die ihre Zelte laut und mit viel Geschnatter in die Dunkelheit stellten.
In der Slowakei cruisten wir durch Bratislava, fanden einen Parkplatz im Stadtwald unterhalb eines riesigen Funkturmes und aßen leckere Pizza, die ich nach einem strammen Fußmarsch in die Stadt und zurück ergattert hatte. In einem Dacia übernachteten noch Franzosen neben uns.
In Tschechien schließen wir wunderbar unter den startenden Flugzeugen des Prager Flughafens und im Vogtland besuchten wir Freunde auf deren Bauernhof und wanderten um die Muldenbergtalsperre.
Am Ende erreichten wir kurz vor dem Zuhause wieder Leipzig, wo wir Freunde trafen und im Zwenkauer See badeten. Unsere Olga hat auf den 4000 Kilometern keinen Ärger gemacht, ist uns immer treu geblieben und hat uns sicher durchgebracht. Auch die Hunde haben mit uns gemeinsam wieder eine ganze Menge mehr Welt gesehen und erlebt, während andere tolle Menschen auf unser Haus und unsere weiteren Tiere Acht gegeben haben. Danke dafür und bis bald!